Die deutsche Finanzverwaltung vertrat bislang die Auffassung, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine Tätigkeit zwingend unabhängig und selbständig ausübt und damit als umsatzsteuerlicher Unternehmer zu qualifizieren ist.
Diese Auffassung wurde durch den Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache C-420/18 im Juni 2019 und schließlich durch den Bundesfinanzhof im November 2019 gekippt. Ein Aufsichtsratsmitglied mit ausschließlich fixer Vergütung trägt kein Vergütungsrisiko und begründet damit keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des UStG. Ein Unternehmer soll nur noch bei variabler Vergütung gegeben sein.
Im Jahr 2021 hat sich die Finanzverwaltung mit einem BMF-Schreiben dieser Rechtsprechung angeschlossen und näher definiert, wann von einer solchen variablen Vergütung auszugehen ist. Variable Vergütungen sind beispielsweise Sitzungsgelder, die in Abhängigkeit von der Teilnahme an Sitzungen gezahlt werden sowie nach tatsächlichem Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen. Fixe Vergütungen sind dagegen pauschale Aufwandsentschädigungen, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt werden. Bei sowohl fixer als auch variabler Vergütung gilt ein Aufsichtsratsmitglied als Unternehmer, wenn die variablen Bestandteile mindestens 10% der gesamten Vergütung im Geschäftsjahr der zu beaufsichtigenden Gesellschaft betragen. Reisekostenerstattungen sind in die Ermittlung der 10%-Grenze nicht einzubeziehen.
Nun hat das Bundesfinanzministerium in einem weiteren Schreiben vom 29. März 2022 (Az. III C 2 – S 7104/19/10001 :005) die geänderte Auffassung weiter konkretisiert und dabei einige Rechtsunsicherheiten beseitigt. Für die Ermittlung der 10%-Grenze sind Vergütungsbestandteile nur zu berücksichtigen, wenn sie für Leistungen gezahlt werden, die in dem jeweiligen Geschäftsjahr ausgeführt werden. Es wird nicht mehr auf das Kalenderjahr, sondern das Geschäftsjahr der Gesellschaft abgestellt. Zusätzlich muss die Berechnung künftig anhand einer Prognose erfolgen. Alle zu Beginn des Geschäftsjahres geplanten Sitzungen und hierfür zu zahlende Sitzungsgelder sind unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme einzubeziehen. Damit wird die Frage der Unternehmereigenschaft bereits zu Beginn des Geschäftsjahres festgestellt. Nachträgliche Korrekturen der Abrechnungen werden auf diese Weise vermieden.
Diese Auffassung ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Für die alte Rechtsauffassung enthält das BMF-Schreiben Übergangsregelungen.